Am 15.9.2022 war es soweit: Vier Unternehmen aus Ostwestfalen-Lippe stellten in einer Feierstunde im Paderborner Caritas-Haus St. Antonius ihre erste Gemeinwohl-Bilanz vor.

Dieser systematische Nachhaltigkeitsbericht macht sichtbar, was die Bielefelder Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung (GAB), der Steinheimer Lichtwerbeanlagen-Hersteller Struck, die Schloss Hamborn Rudolf Steiner Werkgemeinschaft Borchen und der gastgebende Caritasverband Paderborn bereits jetzt zum Gemeinwohl beitragen und wo es noch etwas zu verbessern gibt.

„Derzeit konzentrieren sich viele Firmen noch darauf, vor allem ihre Kunden und Finanziers zufriedenzustellen“, erläutert Berater Christian Einsiedel von der Stiftung Gemeinwohl-Ökonomie NRW.

„Inzwischen reift allerdings die Einsicht, dass man auch Personal und Zulieferbetriebe gut behandeln muss. Dazu kommen spürbare gesellschaftliche Veränderungen, vom sozialen Gefüge vor Ort bis zum globalen Klimawandel. Wir gratulieren den beteiligten Firmen, dass sie die Gemeinwohl-Bilanz als Werkzeug genutzt haben, um diese Themen ganzheitlich in den Blick zu nehmen“.

Eine Bilanz, viele Effekte

GAB-Geschäftsführer Selcuk Icen bestätigt die Wirkung: „Uns sind an vielen Stellen Potenziale für die weitere Entwicklung aufgefallen. Durch Fragen und Antworten in der Bilanz wurde deutlich, wie wir mit oft kleinen Maßnahmen schon Fortschritte erreichen können.“

Sein Geschäftsführungs-Kollege Marcus Stichmann freut sich ebenfalls über die „Eröffnungsbilanz, mit der wir über unseren Stand im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsziele Rechenschaft ablegen.“ Dies solle zugleich innerbetrieblich ein Startschuss für die nachhaltige Weiterentwicklung sein.

Lichtwerbe-Geschäftsführer Markus Struck berichtet von weiteren Nutzenaspekten: „Wir stehen vor dem Wechsel in die dritte Generation unseres Familienunternehmens. Der GWÖ-Bericht dient als optimales Basisdokument, um unserer Tochter Einblick in den Ist-Zustand des Betriebs zu geben und die positiven sozialen und ökologischen Werte weiter zu verbessern.“ Die Bilanzierung habe sich auch gelohnt, „weil wir nun einen differenzierten Blick auf andere Unternehmen haben werden“, so Struck.

Punkte für sozial-ökologisches Engagement

Eine hohe Bewertung bereits in der ersten Bilanz hat die Schloss Hamborn Rudolf Steiner Werkgemeinschaft erhalten. „Das freut uns natürlich, denn es spiegelt unsere klare Werteorientierung vor dem Hintergrund der Anthroposophie wider, vor allem in sozialer und ökologischer Ausrichtung“, erläutert Vereins-Vorstand Gerd Bögeholz. „Dennoch konnten wir im Bericht viele konkrete Verbesserungs-Ideen benennen, die wir nun schrittweise angehen“.

Caritas-Verbandsvorstand Patrick Wilk betont einen weiteren Aspekt der Bilanzierung: „Potenzielle Mitarbeitende sind auf der Suche nach Unternehmen, die zum guten Leben beitragen. Wir sind seit unserer Gründung gemeinnützig. Die Gemeinwohl-Bilanz ist die logische Weiterentwicklung unserer Werteorientierung und ein guter Weg, den Beitrag für das Gemeinwesen sichtbarer zu machen.“

„Das gilt natürlich auch für unser bestehendes Team“, ergänzt Carla Schulz, zuständig für Quali-tät und Organisationsentwicklung bei der Caritas: „Die Mitarbeitenden in den Workshops waren sehr begeistert. Entscheidend wird jetzt, das Thema und die Haltung lebendig zu halten. Wir ha-ben daher in unserem neuen Intranet eine eigene Seite für die Gemeinwohl-Ökonomie, die bisher gut angenommen wird.“

BWL-Studierende im Beratungsteam

Ebenso wie die Firma Struck hatte der Caritasverband beim Erstellen der Bilanz Unterstützung von BWL-Studierenden der Universität Paderborn. „Als zukünftige Entscheiderinnen und Entscheider sind Studierende eine wichtige Gruppe für Bildungsangebote zur nachhaltigen Entwicklung“, erläutert Berater Dr. Christoph Harrach von der Stiftung.

Dabei gehe es nicht nur um akademisches Wissen, sondern auch darum, Handlungskompetenz zu erwerben und die Selbstreflexion zu stärken. „Diese Ziele erreichen wir, indem wir Studierende im Uni-Seminar zu Co-Beratenden machen“. Gleichzeitig profitierten die Unternehmen von Unterstützung bei der Bilanz und „frischem Wind“, so Harrach.

„Die spannenden Diskussionsrunden in den Workshops und die Berichterstellung durch die Stu-denten waren eine enorme Hilfe“, bestätigt Projektleiterin Cornelia Struck aus Steinheim. Der Paderborner Caritas-Bereichsleiter Hans-Werner Hüwel pflichtet ihr bei: „Es hat Spaß gemacht zu erleben, wie sich die Studierenden in das Unternehmen eindenken und welche guten Impulse sie liefern konnten“.

Transparent zur Transformation

Alle vier Unternehmen sind gemeinsam als Peergroup durch den Prozess gegangen und stellen ihre Berichte nun in den nächsten Tagen online. Dies sei „eine weitere Besonderheit der Gemeinwohl-Bilanz“, erklärt Berater Christian Einsiedel: „Sie beugt dem sogenannten „Greenwashing“ vor, weil nicht nur über das Positive, sondern auch über kritische Themen und Verbesserungspotenziale transparent berichtet werden muss.“

Entsprechend einig sind sich alle Unternehmen, dass die Bilanz nur ein erster Schritt sei und jetzt Verbesserungsprojekte folgen sollen. GAB-Geschäftsführer Marcus Stichmann bringt den Willen zur Transformation auf den Punkt: „Auf die Rezertifizierung in zwei Jahren freuen wir uns schon jetzt.“

Infoabend: Zwei frei Plätze im Wintersemester

Das Engagement der Universität Paderborn wird nun fortgesetzt: Zum kommenden Wintersemester haben erneut vier Firmen die Gelegenheit, sich bei ihrer ersten Gemeinwohl-Bilanz begleiten zu lassen. Zwei freie Plätze für interessierte Unternehmen sind aktuell noch zu vergeben, so Berater Harrach.

Am Donnerstag, den 22.9.2022 ab 17 Uhr veranstaltet die Stiftung dazu gemeinsam mit den Kreiswirtschaftsförderungen Höxter und Lippe einen kostenfreien Info-Abend zum Thema.

Um Anmeldung wird gebeten: www.stiftung-gwoe.nrw/anmelden